Die Leonhardsvorstadt

Am Ende des 14. Jahrhunderts hatten viele Städte und Siedlungen nördlich der Alpen ein Problem: Sie waren „voll“, jeder verfügbare Platz war bebaut. Eine Ursache war ein starker Anstieg der Bevölkerung. Städte mussten erweitert werden, bisher unbesiedelte Gegenden wurden gerodet und neue Siedlungen entstanden.

Auch Stuttgart wuchs über seinen Mauerring hinaus, aber nicht „wild“, sondern planvoll. Es wurde der Beschluss gefasst, das Stadtgebiet durch die Anlage einer Vorstadt zu erweitern. Südlich der Stadtmauer, entlang des Nesenbachs wurde das Gelände planiert, Straßenverläufe und Parzellen abgesteckt. Namensgeber der neuen Vorstadt wurde eine kleine Kapelle, die dem heiligen Leonhard geweiht war – St. Leonhardsvorstadt.

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts war die neue Vorstadt soweit fertig, an der Stelle der kleinen Kapelle errichtete der Baumeister Jörg Aberlin die Leonhardskirche im spätgotischen Baustil. Das Straßenraster war modern, gerade Straßenverläufe mit rechtwinkligen Querstraßen bestimmten das Bild. Die ganze Vorstadt gruppierte sich um einen großen  Marktplatz, die heutige Hauptstätterstraße.

Besiedelt wurde das neue Quartier mit Handwerkern, Weinbauern und Tagelöhnern, also mit Menschen mit eher kleinerem Geldbeutel. Dies führte im Volksmund zum eher abwertenden Namen für das Quartier: Das Bohnenviertel, hier gab es am Sonntag kein Fleisch im Kochtopf, sondern Hülsenfrüchte. Nach dem Württemberg 1534 lutherisch wurde, wechselte der Name, jetzt hieß das Ganze Esslinger Vorstadt – der Spottname Bohnenviertel aber blieb.

In den folgenden Jahren wurde die Vorstadt mit einer Stadtmauer, Türmen und 2 Toren umbaut und in die alte Stadtbefestigung einbezogen, Reste diese Stadtmauer sind erhalten, in der Katharinenstraße steht der Schellenturm – heute eine Weinstube – und an der Kreuzung Hauptstätter-/Torstraße ein Turmfragment.

Erst in den Wiederaufbaujahren wurde die  gewachsene Einheit zerstört, auf einer Kriegsbrache entstand das Züblinparkhaus uns teilte des Quartier in 2 Teile, die sich unterschiedlich entwickelten.

Trotz Kriegszerstörungen und den Wiederaufbausünden der Nachkriegszeit stehen hier die ältesten erhaltenen Gebäude aus Stuttgarts Geschichte. Das reicht vom Spätmittelalter über das Barock bis in das 19. und frühe 20. Jahrhundert.

Die Leonhardsvorstadt ist ein Quartier, in dem Stadtgeschichte lebendig wird.

Text: Robert Tetzlaff